Plötzlich hatte ich den Eindruck, dass er richtig empört war. Mein Gesprächspartner, mit dem ich sonst stundenlang über Politik, Politiker und die Parteien mehr als angeregt diskutieren konnte – im wahrsten Wortsinn „diskutieren“, also einen Diskurs führen, der für beide interessant ist. Nicht in der Art einer TV-Diskussion, die schon vom Moderator als Ringkampf angelegt wird und dann meist zur Schlammschlacht ausartet. Die Varianten von „Schlammschlacht“ hängen vom jeweiligen Sender ab, je mehr öffentlich rechtlich, desto kleiner die Dreckpatzerln und desto wohlerzogener die Proteste, je mehr in Richtung des von Herbert Fellner geprägten Boulevard, desto großer die Schlammkübel und desto deutlicher die Wortwahl – eskalierte erst jüngst fast schon exemplarisch (https://www.facebook.com/1187093343/videos/3115915212059378).
Aber zurück zur Empörung meines Gesprächspartners, dem gegenüber ich zu erkennen gab, dass die 1.000 Euro pro Monat und Kulturschaffenden eigentlich ein Witz sind. Von 1.000 Euro kann doch kein Mensch den Unterhalt von Familie, Wohnung, Energiekosten etc. bestreiten, oder ist man als Politiker der Ansicht, dass Kulturschaffende ohnehin auf Zimmer-Kuchl ohne Kabinett hausen, wie die legendären Ziegelböhm, die Familie, und zwar alle, in einem Zimmer, das Bett der Eltern nur durch einen Vorhang getrennt. Viel anderes ginge sich um den Tausender nicht aus. Mein Gesprächspartner, mit dem ich befreundet bin, war ob diese meiner Ansicht empört. Dazu muss ergänzt werden, dass er im Büro eines Politikers arbeitet – mehr verrate ich nicht, er weiß ohnehin, dass er gemeint ist und ich will ihn nicht verraten. Aber ich hab nur so gestaunt, denn er, mein befreundeter Gesprächspartner, ist kultur-affin, geht gern ins Kino und ins Theater und Gespräche über Musik und Bücher sind mit ihm genauso unterhaltsam, wie die über Politik.
Mir ist bis heute nicht klar, warum er empört war, aber ich hab auch bis heute nicht verstanden, warum sich vor mittlerweile Jahrzehnten halb Österreich über einen bekannten Schauspieler aufgeregt hatte, als bekannt wurde, dass er zwischen zwei Engagements Arbeitslosengeld bezog. Er ist übrigens mit einer prominenten Schauspielerin verheiratet und man war damals der Auffassung, dass die beiden genug Geld verdienen und sich nicht auch noch am Arbeitslosengeld bereichern müssten. Jeder Barkeeper, der sich im Winter völlig weggehackelt und damit aber blöd verdient hat, geht über den Sommer – außer er mixt dann in einem Ferienressort an einem Strand – in die Arbeitslose, daran findet niemand was auszusetzen. Abgesehen davon, dass dem Barkeeper mittlerweile die Wintersaison abhanden gekommen ist, war das ja ehrliche Arbeit. Beim Schauspieler hingegen ...
Dass während der Pandemie die Falkensteiner Hotels 7,4 Mio Euro und das schwedische Textilunternehmen H & M 4,8 Mio (Quelle: vienna.at) bzw. die im Eigentum von Rene Benko stehenden Unternehmen Kika, Leiner und Signa Luxury Collection in Summe 7.5 Mio Euro (Quelle: der Standard) an Coronahilfe von der COFAG bekommen habe, regt, bis auf die mittlerweile sehr dünne Stimme der SPÖ und der Gewerkschaft, niemand weiter auf. Auch nicht das die AUA, bekanntlich längst eine Tochter der deutschen Lufthansa und kein österreichisches Unternehmen mehr, massiv Stellen abbaut – obwohl sie 450 Millionen an Förderungen bzw. gestützten Krediten unter dem Titel Corona bekommen hatte. Rene Benko hat in Deutschland für seine dortigen Unternehmen Corona-Kredite von fast 500 Millionen Euro erhalten (Quelle: der Standard).
Für Kulturschaffende hatte man monatlich einen Tausender übrig, andere Hilfen war nur schwer, wenn überhaupt, zu bekommen. Auch weil der Berechnungsmodus der Republik Österreich auf ein anderes Geschäftsmodell, als das eines Kulturbetriebes abgezielt hat. Ein Beispiel: eine Filmproduktionsfirma in Niederösterreich (nicht meine), die sich auf Serviceproduktion spezialisiert hat. Manchmal wurde daraus auch eine Co-Produktion, wie z.B. für einen klassischen Weihnachtsfilm, der in Wien gedreht und in den USA im TV ausgestrahlt wurde. Derartige Zusammenarbeiten haben sich in der Pandemie aufgehört, wäre ein klassischer Fall von, hier greift der Ersatz des Umsatzverlustes. Theoretisch, denn der wird über die abzuführende Mehrwertsteuer (erstes Theorem oberflächlicher Erst-Betrachtung von Wirtschaftskenndaten: größere Zahlung bei der Umsatzsteuerveranlagung weisen auf größere Gewinne hin) geprüft. Jetzt zahlt aber der Kollege aus Amerika oder aus anderen europäischen Ländern keine Umsatzsteuer (reverse charge nach §19 UStG) und der Covidausfallsgeldbeangtrager wundert sich, warum er bei Ausfällen im sechs- und siebenstelligem Bereich mit eher mageren Beträgen um die 30.000,00 Euro „überschüttet“ wird. Oder war da nur der Steuerberater schlecht aufgestellt?
Blättern wir zurück: die Erhöhungen für das Kultur-Budget 2021 fielen dann doch nicht so hoch aus, obwohl sich Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer auf der website ihres Hauses über die größte Erhöhung des Budgets seit langem freut (was sich übrigens heuer wiederholt). Die IG-Kultur hat aber genau nachgerechnet, die Erhöhung um 30 Millionen, von denen 9 Mio bereits für die Sanierung der Festspielhäuser Salzburg und Bregenz gewidmet sind, bedeutet eine Erhöhung um 6%, weniger als alle anderen Budgets im Bundeshaushalt 2021. In Relation zum Gesamtbudget sinkt der Anteil der Kultur von 0,6% auf 0,5%. Zwar sind für 2022 neuerlich 30 Mio Erhöhung angekündigt, dann aber soll damit Schluss sein. Die IG Autoren formuliert es deutlich: damit wird das Kulturbudget kein Gestaltungsinstrument sondern eher eine Mangelverwaltung. Also so wie bisher. Fortsetzung für das Budget 2022, wo die Begeisterung der Kulturstaatssekretärin fast keine Grenzen mehr kennt (https://orf.at/stories/3232578/). Mayer spricht von einer noch die dagewesenen Erhöhung des Kulturbudgets und so gut wie alle Medienberichte des Landes stimmen in den Chor mit ein – wie sollten sie auch anders, fehlt es den meisten Medien mittlerweile an Personal, um die Jubelpersermeldungen nachzurecherchieren. Was die IG-Kultur aber auch für das heurige Budget gemacht hat und das Ergebnis ist ernüchternd (https://igkultur.at/politik/erhoehung-des-kulturbudgets-2022 ). Zitat von der website: Das Kulturbudget 2022 steigt um 12%. In Summe sind das 61 Millionen Euro. Davon gehen 51 Millionen Euro in staatseigene Betriebe bzw. Kulturerbe und Baukultur. Aber was passiert mit den restlichen 10 Millionen Euro?“ – Zitat Ende. Wie es mit dem Budget des Filminstitutes aussieht? Hier die Fakten: filminstitut.at/institut/zahlen-und-fakten/jahresbudget, also niente, rien, nix, gar nix. In der nüchternen Sprache der Statistik wird hier auch die Erhöhung des Budgets von 2020 auf 2021, man erinnere sich an das rituelle Jubelgeschrei der Kulturpolitik, als Etikettenschwindel entlarvt.
Wer sich noch etwas quälen möchte bei diesem Thema, dem seien die Presseaussendung der Kultursprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, wärmstens ans Herz gelegt. Die ehemals streitbare Rektorin ist vor Begeisterung über das Kulturbudget fast nicht zu halten: www.ots.at/presseaussendung/OTS_20211013_OTS0200/blimlinger-so-geht-kunst-und-kulturbudget
Erhellend auch die Debatte im Kulturausschuss des Parlaments, wiedergegeben in einer Presseaussendung des Parlaments – man achte auf die einzige Wortmeldung zum Thema Filmförderung und die damit verbundene Prioritätensetzung, lesen lohnt – über damit verbundene Enttäuschungen und Nebenwirkungen informiert niemand, dafür werden Sie, kluge Leserin, ausdrücklich davor gewarnt: www.ots.at/presseaussendung/OTS_20211108_OTS0211/budgetausschuss-begruesst-erhoehung-des-budgets-fuer-kunst-und-kultur-2022-um-rund-61-mio
Warum wir uns trotzdem eine Kulturnation nennen? Ja, lustig, weil ginge es nach der Politik, finden wir ohnehin nur am Rande statt. Da kann ich mir ein kleines Anekdoterl nicht ersparen und dem Hauptdarsteller dieser Posse tut politisch eh nix mehr weh: Zur Wiedereröffnung fanden sich Bundeskanzler Kurz in Begleitung von Vizekanzler, Tourismusministerin und Kultur-Staatssekretärin am Mittag des 19. Mai 2021 im Schweizerhaus im Wiener Prater ein. Laut Verlautbarung des Terminkalenders des damaligen Kanzlers war der nächste öffentliche Termin um 17:00 Uhr: in der Wiener Staatsoper – am Programm „Der Barbier für Kinder“ (kein dummer Scherz von mir). Fotos und Kameraschwenks möglich, hieß es in der amtlichen Ankündigung der Termine. Der Verzehr der zugegebenermaßen legendären Stelze samt nicht minder legendärem Budweiser im Gastgarten des Schweizerhauses (ist mittlerweile, März 2022 nach der Winterpause wieder geöffnet) war der ZIB 1 noch einen kleinen Bericht wert, der Besuch der Staatsoper um 17:00 Uhr, um 17:00 begannen früher einmal die großen Wagner Opern, fand dort keinen Niederschlag. „Der Barbier für Kinder“, der lt. OTS Aussendung vom Bundeskanzler besucht wurde, stellt eine wirkliche Pointe dar, die man nicht besser erfinden könnte. Wieviel er von der Frank Castorf Inszenierung des „Faust“, die um 18:30 im Haus am Ring begonnen hatte, mitbekommen hat, ist leider nicht überliefert.