Party Crasher

Dass die On-Demand-Plattformen derzeit jede Menge Geld in die Schlacht werfen, darf als bekannt vorausgesetzt werden - beim AAFP - Produzent*innentag Ende November 2019 war sogar die Rede davon, dass das Fernsehen sein drittes goldenes Zeitalter erlebe, es werde investiert wie selten zuvor. Durch den Auftritt neuer Player wie Disney oder HBO werden bei den „alten“ Plattformen Mittel frei, die wieder in neue Produktionen gesteckt werden. Aber warum werden Mittel frei?

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Nun, weil die Plattformen sich als Marktargument auf die eigenen Brands konzentrieren werden und Serien wie „Friends“ zum Beispiel von Netflix abgezogen wurden - „Friends“ ist seit November nur mehr auf Amazon verfügbar. Obwohl das ein wenig verwunderlich scheint, denn die 236 Folgen, aufgeteilt auf zehn Staffeln, werden von Warner Brothers lizenziert und wurden von HBO produziert, der demnächst einen eigenen Channel startet. Aber die Devise dürfte heißen, alles, was Netflix schadet, ist gut für die anderen. Der bisher zweite On-Demand-Riese, Amazon, wurde mittlerweile still und heimlich zum größten Aggregator, über den firestick lassen sich die großen Streaming-Angebote - eben Amazon und Netflix - genauso empfangen wie öffentlich-rechtliche TV-Sender oder kleinere Spezialisten und Nischenanbieter. Die Devise: Man wird sich arrangieren müssen.


Das goldene Zeitalter wurde und wird von Analysten ausgerufen, die uns Folgendes vorrechnen: Apple, Amazon, Netflix und Disney (da fehlen noch HBO und diverse kleinere Plattformen) haben heuer laut deren Berechnung etwas mehr als 50 Milliarden Dollar in die Hand genommen - mehr als alle europäischen TV-Anstalten zusammen dafür zur Verfügung hatten oder haben (kolportierte 40 Milliarden). Mit einer gefüllten Kriegskassa als Argument lässt es sich leicht produzieren, im Gegensatz zu den klassischen Broadcastern, die mit Budgetkürzungen, gestiegenen Kosten und immer wiederkehrenden politischen Diskussionen über Gebühren konfrontiert sind. Obwohl auch die sogenannten Privatsender langsam draufkommen, wie schnell sie alt geworden sind. Wenn die Vertreterin eines österreichischen Privatsenders, der in Wahrheit zur ProSiebenSat.1-Gruppe gehört erklärt, dass sie jetzt versuchen, ihre Reichweite zu monetarisieren, ist die Frage erlaubt, welche Reichweite sie meint. Der bekanntlich im Privatbesitz befindliche Sender ServusTV hat diese Probleme nicht, hier bezieht sich Monetarisierung auf die Summe, die der Eigentümer monatlich einzahlen muss.


In diesem Punkt unterscheidet er sich allerdings von der Dimension her von den Partycrashern Netflix und Amazon, die ihre Investitionen bekanntermaßen auf Pump finanzieren. Amazon hüpft uns ja erfolgreich vor, wie man zu einer Marktgröße werden kann, ohne je Gewinne erzielt zu haben - zumindest wird das kolportiert, genau wissen wir es nicht, denn die Eigentümer schwiegen dazu eisern. Weder der Versandhandel noch die Streaming-Plattform sollen schwarze Zahlen erzielen. Auch bei Netflix ist man auf sogenannte Experten angewiesen, aber die Mischung aus Marktwert, also was die Firma theoretisch wert ist, und den Shareholdern macht es möglich, dass Netflix angeblich mehr als 14 Milliarden Dollar Schulden hat - und auf Teufel komm raus produziert. Eine Studie von Ampere Analysis aus London behauptet, dass Netflix derzeit an die 250 Formate (!) entwickelt, die nächsten im Ranking stehen bei rund 100 Formaten, Fox etwa oder HBO.

 

Europäische Broadcaster kommen da gar nicht vor, daher auch nicht der ORF. Der muss noch gute Miene machen, wenn ihm die Politik einmal mehr ausrichtet, dass Geld eingespart werden muss. Obwohl das selbst finanztechnisch unterbegabte Politiker sehen sollten, mit weniger Geld wird sich mehr Programm nicht ausgehen - schon jetzt sind die Programmplaner gezwungen, sich ausgiebig im Archiv zu bedienen, flächendeckend – egal, ob Hörfunkfeature oder TV- Doku. Das Credo des Bruno Kreisky, dem bekanntlich ein paar Millionen Schulden weniger schlaflose Nächte bereitet haben sollen als ein paar Arbeitslose, gilt heute nicht mehr. Und schon gar nicht für die Filmwirtschaft, obwohl den Filmschaffenden und sicher auch den ORF-Managern ein paar Millionen Schulden auch keine schlaflosen Nächte bescheren würden, vorausgesetzt im Gegenzug wird damit österreichisches Programm produziert.