I AM GRETA

... heißt der vom schwedischen Regisseur Nathan Grossmann selbst gedrehte Dokumentarfilm über die Klima-Ikone Greta Thunberg. Wer das Schwedenmädel mit den strengen Zöpfen und den zum Teil mehr als deutlichen Ansprachen näher kennen lernen will, sollte sich den Film unbedingt ansehen.

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Nathan Grossmanns Mitarbeit an der Dokumentation über den schwedischen Fußballstar Zlatan Ibrahimovic entdeckt man nur auf imdb, die Auszeichnung für die Kurzserie Köttets Lustar (er macht sich über übertriebenen Fleischkonsum lustig), die im schwedischen öffentlich rechtlichen TV gezeigt wurde, findet sich im Internet - aber eine eigene Website oder andere Profile findet man über ihn noch nicht. Nathan Grossmann hat selbst nicht damit gerechnet, weder dass sein Film so groß wird und es bis nach Venedig schaffen wird, noch dass die Protagonistin, ein 15 Jahre altes, schulstreikendes Mädel mit Zöpfen, zu einer weltweiten Ikone werden könnte.

Er hatte den Tipp von einem befreundeten Drehbuchautor bekommen und machte sich mit einer Kamera und einem Funkmikro auf den Weg zum Parlament in Stockholm, vor dem die damals 15 Jahre alte Greta Thunberg gegen die Untätigkeit der Politik in Sachen Klimawandel protestierte. „Skolstrejk for Klimatet“ steht auf dem Schild, das Greta bis heute vor sich herträgt – die Botschaft war leicht zu verstehen, auch ohne Sprachkenntnisse – mittlerweile folgten Millionen von Schülerinnen und Schülern auf der ganzen Welt dem Aufruf. Aus dem einsamen Protest wurde die Fridays For Future Bewegung; lediglich die Corona Pandemie rückte andere Themen in den Focus bzw. stoppte die Freitagsdemonstrationen der streikenden Schülerinnen und Schüler, die sich dafür - auch in österreichischen Schulen - unentschuldigte Fehlstunden einhandelten.

Grossmann fragte Greta damals, 2018, ganz vorsichtig, ob er ihr ein Mikrofon umhängen und sie filmen dürfte. Das Vertrauensverhältnis zwischen ihm, Greta und ihrer Familie wuchs stetig und so konnte er dann auch in sehr privaten Momenten dabei sein; die Kontrolle was er filmen durfte, blieb aber immer bei Greta. Er erzählt, dass sie vor allem davor Angst hatte, sich in dem Film nicht wiederzuerkennen. Es war sicher ein spannender Moment, der Film ist aus, alle Augen richten sich auf Greta, die mittlerweile zwei Jahre älter, zur Erleichterung aller repliziert: ja, ich erkenne mich wieder.

Aus einem „Darf ich dich hier drehen?“ vor dem Parlament in Schweden - von dem Protest nahm damals noch fast niemand Notiz - wurde ein mehr als ein Jahr dauerndes Projekt. Grossmann erzählt, dass er alles alleine gemacht hatte: Kamera, Ton und so notwendig, Licht; er war bei fast allen Events dabei, was nicht immer leicht war, sogar über den Atlantik fuhr er mit Greta und ihrem Vater mit dem Segelrennboot mit, um klimagerecht nach New York zur UNO-Konferenz zu kommen. Nicht nur er würde dort nicht mehr mitfahren wollen, auch Greta Thunberg und ihr Vater wussten sichtlich nicht, auf was sie sich hier eingelassen hatten.

Der Film vermittelt einen kleinen Eindruck von den Strapazen dieser Reise, der IMOCA-Racer (IMOCA steht für: International Monohull Open Class Association, eine Bootsklasse für off-shore Segelregatten) Malizia hat überhaupt keinen Komfort an Bord, weder eine Toilette (was in der internationalen Presse den größten Widerhall fand), keine Küche, keine bequemen Sitzgelegenheiten, als Schlafstätte dienen mit Stoff bespannte Alurohre, ständig muss man sich festhalten, denn im Normalbetrieb brettert der Renn-Segler mit 15 bis 20 Knoten über das Wasser. Der Körper kann sich beim Segeln so gut wie nicht entspannen, die Stöße und abrupten Bewegungen der Yacht sind nicht vorhersehbar, der Lärm, den das ständig aufs Wasser knallende Schiff verursacht, unvorstellbar. Dazu kommt, dass sich bei stärkerem Wind Sturzbäche von Seewasser, meist eiskalt, über das Deck ergießen - die 14 Tage an Bord waren für die unerfahrenen Passagiere sicher so etwas wie eine Folter. Im Film sind einige kurze Szenen zu sehen, in einer Szene leuchtet das Instrument, das die Geschwindigkeit anzeigt im Dunkeln: 18 Knoten – mit einer Charteryacht erreicht man nicht einmal die Hälfte.

Mit dem Wissen um diese 14 Tage Tortour, im Film sieht man Greta völlig aufgelöst, weinend nach einem Telefonat mit ihrer Mutter, wird auch die als sehr aggressiv empfundene Rede vor der UNO – Stichwort „how dare you“ – verständlicher. Thunberg hätte im Herbst ins Gymnasium kommen sollen, die Grundschule, in Schweden eine Gesamtschule, hat sie mit überdurchschnittlich guten Noten absolviert (der Film zeigt Aufnahmen von der Abschlussfeier, wo sie als eine von wenigen Schülern mit derart herausragenden Noten genannt wird), nimmt sich aber eine Auszeit, um nach New York zu reisen. Mehrmals sagt sie im Film, sie sollte eigentlich zu Hause in der Schule sein.

Womit wir bei ihrem Asperger-Syndrom wären, eine mildere Form von Autismus, das es schwer macht sozial zu interagieren, einem aber auf der anderen Seite die Fähigkeit verleiht sich extrem zu fokussieren und sehr hartnäckig an einer Sache zu arbeiten. Auch das zeigt der Film und Greta betont, sie leide nicht unter dem Asperger-Syndrom, sie hat es. Und sie spekuliert, ob es nicht besser wäre für die Welt, wenn auch einige Politiker ein Asperger-Syndrom hätten. Den Eindruck eines psychisch kranken und ahnungslosen Teenagers, wie sie von manchen Politikern genannt wurde, macht sie nicht. Im Gegenteil, da kommen die hohlen Phrasen der Politiker meist schlechter weg.

Fazit – unbedingt anschauen, auch wer dem Schwedenmädel bisher reserviert gegenüberstand, geht mit neuen und anderen Eindrücken aus dem Kino. Der Eindruck einer Propagandamaschine, die zumindest von den Eltern, die hinter der Ikone stehen gesteuert wird, vermittelt der Film nicht, im Gegenteil. Greta meint es ernst. So ernst wie sie den Klimawandel nimmt.

Nachsatz, als der Film zu Ende ist und wir uns mit Maske und Abstand hinausbegeben, denk ich mir, mit dem Corona Virus werden wir lernen müssen zu leben. Wenn die Prognosen hinsichtlich Klimawandel zutreffen hingegen, wird das nicht so leicht gelingen.