Das Posting

Das Urheberrecht ist eine komplizierte Materie, in der selbst versierte Rechtsanwälte hoffnungslos untergehen können – nur wenige Spezialisten kennen sich wirklich aus und alle Änderungen ziehen einen Rattenschwanz an Konsequenzen mit sich, der bei Beschlussfassung oft nicht oder nur teilweise abgeschätzt werden kann. Und wie immer, bei sehr speziellen Causen, eine Meinung hat ein jeder, Absichten haben schon deutlich weniger und wer sich letztlich durchsetzt, scheint nicht immer logisch. Logisch ist nur, dass in Zeiten wie diesen, die Echokammern überquellen – Walter Gröbchen, ehemaliger Ö-3 Redakteur und heute Musikverleger, fiel mir damals, im März 2019, mit einem sehr interessanten Posting auf.

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Walter Gröbchen, Musikexperte, Label-Gründer und -Besitzer, ehemaliger Ö3-Journalist und sicher einer der „Auskenner“ in Sachen Urheberrecht hat kurz vor Redaktionsschluss mit einem Posting zur derzeit (letzte Märzwoche) vor der Abstimmung im EU-Parlament stehenden EU-Novelle zum Urheber- und Leistungsschutzrecht für eine lebhafte Diskussion gesorgt, in einer der Materien, in der der gesunde Menschenverstand zu versagen scheint.

 

Dem Grunde nach ist es ganz simpel. Der Franz ist Weinbauer und macht einen unfasslich guten Roten, der sich verkauft wie die warmen Semmeln. Und der Franz ist kein Depp nicht, sondern schafft es, seine Produktion zu vergrößern, ohne dass die Qualität darunter leidet. Jeder, der eine Flasche davon haben will, zahlt dafür, eh klar. Bis eines Tages die Burschen von der „rotweinplattform.trink“ antanzen und ihm sehr viele Flaschen abnehmen wollen, aber nix oder nur sehr wenig dafür bezahlen wollen, weil der Franz durch sie ja einen größeren Verbreitungsgrad bekommt, ihn dann jeder kennt. Weil der Franz das aber nicht will, mopsen sie einfach ein paar Flaschen und bieten diese an, natürlich mit großem Erfolg. Weil der Franz klagt, weil wozu macht er das alles, wenn er kein Geld mehr dafür bekommt, stellen sich die Burschen von der „rotweinplattform.trink“ jetzt hin und behaupten, er sei schuld, dass jetzt niemand mehr Rotwein trinken wird können. Dabei sei es doch das Recht von jedermann, Rotwein zu trinken, nur Leute wie der Franz sind dagegen, Freiheit für den Rotwein und alle Rotweintrinker.

 

Ähnlich „simplifiziert“ läuft derzeit eine Diskussion, die der Autor dieser Zeilen auf Rotwein beschränkt hat, weil interessanterweise die SPÖ eine Petition für ein freies Internet und gegen Uploadfilter ins Netz gestellt hatte (vielleicht ist sie noch online): freiesinternet.spoe.at. Und damit wohl einmal mehr auf dem falschen Dampfer unterwegs war (siehe Screenshot).

 

Das Beispiel mit unserem Weinbauern Franz hinkt natürlich ein wenig, denn Rotwein lässt sich nicht digital verteilen, die Burschen von der rotweinplattform müssten den Rotwein ohne jede Erlaubnis von Franz auf ihrer Website gratis anbieten können, und wir alle müssten die Möglichkeit haben, ihn herunterzuladen. Ned schlecht, ich würd dann in Zukunft Geld nur mehr faxen.

 

Im Ernst, es will anscheinend auch Politikern nicht in den Kopf, dass weder die Freiheit des Internets auf dem Spiel steht noch die Zensur durch die Internetgiganten droht. Walter Gröbchen beschreibt die Situation in seinem Posting so: „Jetzt ist es wieder in (fast) aller Munde: das freie Internet. Es soll abgeschafft werden, zerstört, getötet. Angeblich. Quasi als Kollateralschaden. Weil ein paar Politiker/innen auf EU-Ebene es wagen, gegen die offensichtlichsten Konstruktionsfehler des New Business im Netz vorzugehen - die Ertrags-Abzocke kreativer Drittleistungen, die tolldreiste (und oft erpresserische) Ausnutzung mono- oder oligopolistischer Machtstrukturen (erst kürzlich ist Google wieder zu einer EU-Strafe von 1,49 Milliarden Euro wegen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung verurteilt worden), die willfährige oder auch ‚nur’ erzwungene Datenblockade oder, vice versa, -Offenlegung gegenüber Geheimdiensten und Regierungen (von China bis zu den USA), die ungenierte kapitalistische Gewinnmaximierung unter Ausnutzung jeder Gesetzeslücke, Reaktionsverzögerung und Uneinigkeit z. B. der EU-Länder. Wir alle zahlen brav faire Steuern (auch wenn wir sie oft als unfair empfinden), die globalen Riesen lachen darüber. Und über uns, die wir sie beiläufig, aber ständig und weithin gratis mit Content fett und stark machen. Und unsere Politiker/innen nicht dazu zwingen, dem unhaltbaren Zustand ein Ende zu machen.“

 

Jeder Schulball muss, wenn Musik gespielt wird, was bei einer Tanzveranstaltung mehr oder weniger erwartbar ist, und selbst die Wiener SPÖ muss beim Donauinselfest an die AKM die Künstler und im Idealfall die Playlists übermitteln, alle Rundfunkanstalten machen das, ohne AKM Liste gibt’s keine Sendeabnahme. Aus welchem Grund auch immer ist zwar einem Teil des p.t. Publikums klar, dass eine CD oder eine Langspielplatte gekauft werden muss, glaubt aber, dass das Herunterladen von Musik, Software, Filmen und so weiter nichts kosten darf, weil sonst die Freiheit des Internet auf dem Spiel steht. Der einzige, der hier Freiheit hat, ist der Künstler, der Schöpfer des Werkes selbst, der entscheiden kann, ob er sein Werk verkaufen oder verschenken will.

 

Weiter bei Walter Gröbchens Posting: „Ja, ich teile die Sorge, was ‚Upload-Filter’ betrifft. Aber sie existieren bereits (etwa als Content ID bei YouTube). YouTube sieht sich dadurch gezwungen, Inhalte zu lizensieren (die Verträge mit AKM, GEMA usw. sind allerdings Geschäftsgeheimnis ...).

 

Dass auch Internetriesen wie YouTube sich an Gesetze halten müssen, hatte die Auseinandersetzung mit der GEMA in Deutschland gezeigt. Musikvideos waren lange Zeit auf YouTube gesperrt, bis sich das Unternehmen 2016, nach einem durch mehrere Instanzen geführten Prozess, mit der GEMA geeinigt hatte. Die Plattform YouTube, die ja schon lange zu Google gehört, hat rückwirkend bis 2009 nachgezahlt, über die Höhe und über das zukünftige Abkommen herrscht Stillschweigen. Für die Abstimmung im EU-Parlament wurden Abänderungsanträge eingebracht, die die Streichung des Artikel 17 (der frühere Artikel 13), das wären die Upload-Filter, verlangen. Weil, und jetzt wird es endgültig kompliziert, vor dem Europäischen Gerichtshof derzeit eine Grundsatzfrage verhandelt wird, die entscheidend für genau diese Bestimmung ist. Ist Google, und damit deren Tochter YouTube, ein Serviceprovider oder im weitesten Sinne ein Medium. Daran knüpft sich jede Menge von Konsequenzen hinsichtlich der Verantwortung gegenüber Inhalten, die ins Netz gestellt werden. Serviceprovider können sich auf gut Wienerisch abputzen, zumindest in Österreich, in Deutschland übrigens nicht, deshalb ist der öffentliche Zugang zu Internethotspots, auch im Hotel, in Deutschland nicht so unkompliziert wie bei uns.

 

„Mein Instinkt sagt: die Datenkraken und Profitmaschinen der Gegenwart und, absehbar, auch der Zukunft haben mit einem ‚freien Internet’ wenig bis nichts am Hut“, schreibt Walter Gröbchen weiter, und: „Sie stehen, ähnlich wie schon bei der #DSGVO, primär im Visier einer eigenständigen und (im besten Wortsinn) eigenwilligen europäischen Politik (und es gibt wohl wirklich wenige Mandatare egal welcher Fraktion, die das gesellschaftlich disruptive Verhalten von Google & Co. einfach abnicken wollen und werden). Apropos: ich mag viele (oft auf Falschinterpretation beruhende) Auswirkungen der DSGVO auch nicht. Aber. Man kann die mühsam erdachten, lange und intensiv erörterten und verhandelten und in Details immer noch vagen, unbeholfenen oder absehbar zu bürokratischen Maßnahmen kritisch betrachten - aber es ist eine Regung von politischem Willen, wo man der EU lange Regungslosigkeit vorgeworfen hat.“

 

Nun, wenn Sie dieses Heft in Händen halten, werden wir alle wissen, wie das EU-Parlament abgestimmt hat - ich denke und hoffe, dass die EU-Novelle beschlossen werden wird. Jedes andere Ergebnis würde die Position der Daten-Kraken weiter stärken und jede Diskussion über den Schutz des geistigen Eigentums mehr als erschweren. Zum Schluss noch ein kleines Pointerl, wer auf die großen VideoPlattformen Vimeo (gegründet 2004) oder YouTube (gegründet 2005) ein Video hochlädt, überlässt laut deren Geschäftsbedingungen den Betreibern fast alle Rechte, den Inhalt weiterzuverkaufen oder zu lizenzieren.